Die dramatischen Kreidefelsen sind eine der Hauptattraktionen von Rügen. Credit: Shutterstock

Drei Orte, die Maler zu berühmten Gemälden inspiriert haben

Von Jan Vermeer über Caspar David Friedrich bis Vincent Van Gogh: Entdecke Orte, die durch Kunstwerke berühmt wurden

by Nora Cavaccini

Kreativität hat viele Gesichter, aber als Inspiration für die Kunst spielen Reiseziele eine ganz besondere Rolle. Vielen Malerinnen und Malern dienten nicht nur Menschen als Musen. Auch die Orte, die sie besuchten oder an denen sie sich niederließen, befeuerten ihre Kreativität und ihren künstlerischen Ausdruck. Und genau wie Künstler sich von der Natur inspirieren ließen, können uns ihre Gemälde inspirieren, diese wunderschönen und lohnenswerten Orte zu entdecken.

Zum ersten Mal besuchte ich Rügen wegen des berühmten Gemäldes Kreidefelsen auf Rügen von Caspar David Friedrich. Das 1818 entstandene Gemälde zeigt die Natur nicht nur als Hintergrundkulisse für den Menschen, sondern in ihrer spirituellsten Form. Die drei dargestellten Personen, zwei Männer und eine Frau, verschmelzen fast mit den weißen Klippen der Kreidefelsen auf Rügen. Das berühmte Gemälde kannst du in natura in der Sammlung Oskar Reinhart Am Römerholz im schweizerischen Winterthur bewundern. Um die sagenumwobenen Kreidefelsen mit eigenen Augen zu sehen, musst du dich zur größten Ostseeinsel Deutschlands aufmachen.

Rügen

Rügen bietet spektakuläre – wenn auch zu dieser Jahreszeit ziemlich windige – Strände und elegante Restaurants. Aber der Nationalpark Jasmund, ein UNESCO-Weltkulturerbe, ist ein absolutes Muss. Hier, umrahmt von uralten Buchenwäldern, hast du denselben Ausblick auf die Kreidefelsen auf Rügen wie die Figuren in Friedrichs Gemälde. Die zerklüftete Küste erstreckt sich über gut elf Kilometer, die weißen Felsen heben sich eindrucksvoll von der kristallblauen Weite der Ostsee ab. Du solltest unbedingt zur Aussichtsplattform auf dem Königsstuhl spazieren, von der aus du den besten Blick hast und eine ästhetisch-romantische Verbindung mit der Natur erlebst, die in einem Gefühl der Erhabenheit gipfelt.

Ein wunderbarer Auftakt für einen Besuch in der niederländischen Stadt Delft ist Jan Vermeers Meisterwerk Ansicht von Delft. Auf diesem berühmten Gemälde sehen wir die Stadt von Süden aus. Es passiert eigentlich nicht viel und doch hinterlässt es einen bleibenden Eindruck – ein paar Menschen warten am Kai, beeindruckende Wolken ziehen über den Himmel. Im Mittelpunkt der Ansicht von Delft stehen die Stadt und der sonnenbeschienene Turm der Nieuwe Kerk.

Delft

Auch heute wird die malerische Stadt, die im Zweiten Weltkrieg glücklicherweise von den Bomben verschont blieb, immer noch von diesem Kirchturm (dem zweithöchsten des Landes) dominiert. Die Nieuwe Kerk, die letzte Ruhestätte der niederländischen Königsfamilie, steht zusammen mit der Oude Kerk, der Grabstätte Jan Vermeers, mitten auf dem Marktplatz, dem wichtigsten Platz von Delft. Von hieraus kannst du am Oude Delft-Kanal entlang spazieren, durch die pittoresken Gässchen, die an die von Vermeer gemalten Szenen erinnern.

Was Kunst und Eindrücke angeht, ist Delft eine tolle Alternative zum touristischen Amsterdam. Es gibt zuhauf Tulpen, blau-weißes, handbemaltes Porzellan (für das Delft weltberühmt ist) und märkte für die ebenfalls berühmten Holzschuhe. Dennoch ist die Stadt mit ihrem ruhigen Tempo ein angenehmer Kontrapunkt zu den größeren Städten. Lass dich durch Delft treiben, bis du zu dem Punkt gelangst, an dem Jan Vermeer diesen Blick auf die Stadt malte. Wenn du das Meisterwerk Die Ansicht von Delft persönlich bewundern möchtest, kannst du mit dem Zug nach Den Haag fahren und das Mauritshuis-Museum besuchen.

Amsterdam

Im Jahr 1890 zog der niederländische Maler Vincent Van Gogh in das idyllische Dorf Auvers-sur-Oise in der Nähe von Paris, um näher bei seinem Bruder Theo zu sein und sich von Dr. Paul Gachet wegen seiner Depressionen behandeln zu lassen. Vincent Van Gogh verbrachte seine letzten Lebensjahre in diesem malerischen Dorf, bevor er sich im Juli 1890 das Leben nahm. Nur einen Monat zuvor hatte Van Gogh eines seiner beliebtesten post-impressionistischen Ölgemälde gemalt.

Paris

Die Kirche von Auvers hängt heute im Musee d’Orsay in Paris, die geistige Heimat dieses Meisterwerks aber ist Auvers. Van Gogh wollte seine eigenen Emotionen – sowohl die hellen als auch dunklen – in das religiöse Bauwerk und den aufgewühlten Himmel darüber einbringen. „Das Gebäude erscheint violett vor einem Himmel von tiefem und einfachem Kobaltblau, die Buntglasfenster sehen aus wie Flecken aus Ultramarin, das Dach ist violett und teilweise orange“, schrieb der Maler seiner Schwester.

Auvers-sur-Oise,

Bei einem Besuch kannst du die helle und freundliche Seite dieser Kirche und der Stadt entdecken. Das an der reizvollen Oise gelegene Auvers ist eine steingewordene Hommage an Vincent Van Gogh – an jeder Ecke springt einem der Einfluss des niederländischen Meisters ins Auge. Folge den mit Tafeln ausgeschilderten Wegen, auf denen Van Goghs Werke abgebildet sind. Lass dich durch die kleinen – zum Glück fast autofreien – Straßen treiben, geleitet von den runden Metallschildern mit der Aufschrift „Vincent“. Die auf dem berühmten Gemälde abgebildete Kirche steht heute noch. Sie ist klein und schlicht, weckt aber ein Gefühl der inneren Ruhe.

Besuche auch das Haus von Dr. Gachet mit seinem Zypressen- und Zederngarten, das für das Publikum geöffnet ist. Ein weiteres Muss auf dem Rundgang ist das Haus mit der Hausnummer 5 in der Auberge Ravoux, in dem der Künstler die letzten zwei Monate seines Lebens verbrachte. Das Zimmer ist einfach und abgenutzt, im Inneren sieht es noch genauso aus wie zu Van Goghs Lebzeiten. Mich hat dieser Besuch enorm bewegt.

Du solltest Auvers nicht verlassen, ohne dem Maler auf dem kleinen Landfriedhof die Ehre zu erweisen. Hier ruhen Vincent Van Gogh und sein Bruder Theo Seite an Seite, bedeckt von einem Efeuteppich. Als Zeichen deiner Wertschätzung kannst du eine Sonnenblume auf die letzte Ruhestätte legen.