Egal ob nach einem langen, anstrengenden Arbeitstag, gemütlich mit Freunden beim gemeinsamen Barbecue oder ausgelassen beim Club-Besuch: Bier ist buchstäblich in aller Munde. Das beliebte Getränk aus Getreide, Hopfen, Hefe und Wasser hat Jahrhunderte von Traditionen, Konflikten und Innovationen überdauert und sich seine Anziehungskraft trotz der Erfindung von Wein, Whiskey und Cola bewahrt.
Während die meisten Menschen bei den Ursprüngen des Bieres an mittelalterliche Mönche in einem Kloster denken, waren es in Wirklichkeit die Sumerer, die um 4000 v. Chr. zu den ersten gehörten, die mit den verschiedenen Zutaten experimentierten. Allerdings stand eher die nahrhafte, als die berauschende Wirkung im Fokus. Später diente der vergorene Speisebrei römischen Soldaten als günstige Nahrung und sogar die Pyramidenbauer in Gizeh wurden bereits 2500 v. Chr. mit Bier und Brot verköstigt. Der Beiname “flüssige Nahrung” kommt also nicht von ungefähr.
Doch Bier ist mehr als vergorener Brei. Heute kann man weltweit fast 15 000 verschiedene Biersorten genießen, die von spritzig-frisch über malzig-süß bis hin zu säuerlich und würzig reichen. Es gibt sogar alkoholfreies Bier oder Bier mit bis zu 60 Prozent Alkohol. Echte Liebhaber trinken es nicht nur. Sie bewundern die verschiedenen Töne und Noten, ob hell oder golden, rot oder fast schwarz, ob klar oder trüb.
Tauche ein in die Kunst des Bierbrauens der besten Biere Europas und erfahre, welches Bier du in welchem Land unbedingt probieren musst. Wir haben dir die besten Hopfengetränke und Lokale zusammengestellt, damit du sie genießen kannst wie ein echter Kenner.
Deutsches und Bayerisches Bier
Deutschland gehört zu den führenden Bier produzierenden und konsumierenden Nationen der Welt. Das Land blickt auf eine reiche, jahrhundertealte Bierkultur zurück mit heute etwa 1500 Brauereien und rund 6000 Biermarken, darunter einige der beliebtesten Biersorten der Welt.
Deutsche trinken am liebsten das leicht herbe Pils, ein untergärig gebrautes Bier mit aromatischen Hopfennoten. Doch auch das süddeutsche, obergärige Weizenbier wird immer beliebter – gefiltert als Kristallweizen oder ungefiltert als Hefeweizen. Es erhält seinen charakteristischen fruchtig-würzigen Geschmack vom zugesetzten Weizenmalz.
Im Bundesland Bayern gilt Bier als Grundnahrungsmittel und ist ein besonderes Kulturgut. Fast die Hälfte aller deutschen Brauereien befinden sich im Freistaat. Auch das berühmte Deutsche Reinheitsgebot stammt aus Bayern – die Basis für einige der besten Biere der Welt. Das 1516 erlassene Gesetz ist eines der ältesten Lebensmittelverordnungen der Welt und schreibt vor, dass nur Wasser, Hopfen und Gerste zum Bierbrauen verwendet werden dürfen.
Die deutschlandweit verbreiteten Biergärten haben ihren Ursprung 1812 ebenfalls in Bayern. Der vermutlich älteste, heute noch existierende, ist der Biergarten am Augustiner Keller in München. Such dir einen schattigen Platz unter einer der mächtigen Kastanien und lass dir eine Maß von dem frisch gezapften Bayerischen Bier schmecken. Dazu wird Hendl oder eine zünftige Brotzeit mit Obazda (eine Mischung aus Camembert, Butter und Paprikapulver) gegessen. Doch auch beim traditionellen Weißwurstfrühstück darf ein Weißbier neben Brezeln und süßem Senf nicht fehlen. Im Biergarten ist jeder gleich und die Plätze unter freiem Himmel sind perfekt, um die entspannte und familienfreundliche Atmosphäre zu genießen. Man trifft sich mit Freunden oder teilt einen Tisch mit Fremden. So kommst du schnell in den Genuss der geselligen Bayerischen Art.
Das weltberühmte Oktoberfest findet jedes Jahr in der bayerischen Landeshauptstadt München statt. Das größte Volksfest der Welt zieht seit 1810 jährlich Millionen von Besuchern aus aller Welt an, die in traditioneller Tracht (Dirndl und Lederhosen) in Festzelten zu Volksmusik schunkeln. Das Fass mit speziell für den Anlass gebrautem Oktoberfestbier wird mit einem feierlichen O’zapft is! angestochen. 2019 gingen fast 7,5 Millionen Liter Bayerisches Bier über den Tresen.
Doch auch andere Regionen Deutschlands haben einzigartige Biere zu bieten. In Köln ist das Kölsch populär. Ein leichtes, helles Vollbier, das traditionell in der schlanken, zylindrischen Stange (0,2 Liter Glas) ausgeschenkt wird. In Düsseldorf serviert man das säuerlich-fruchtige Altbier. Probiere es unbedingt an “der längsten Theke der Welt”, einer Art Mikrokosmos aus 260 Lokalen in der Düsseldorfer Altstadt. Das säuerliche, trübe Berliner Weißbier kam um 1600 in Mode. Als “Weisse mit Schuss” mit Waldmeister- und Himbeer-Sirup ist es ein echter Klassiker an heißen Sommertagen – zum Beispiel im Liegestuhl am Berliner Wannsee. Prost!
Tschechisches Bier
In der Tschechischen Republik ist Pivo (Bier) mehr als nur ein Getränk – es ist ein Teil des Erbes und der Kultur des Landes. Das Land gehört zu den weltweit führenden Bierproduzenten und hat den höchsten Pro-Kopf-Verbrauch der Welt!
Das tschechische Bierbrauen wird vom hellen Pilsner mit bitteren Hopfennoten dominiert. Staropramen, Pilsner Urquell und Budweiser (nicht zu verwechseln mit der amerikanischen Biermarke) gehören zu den meistgetrunkenen tschechischen Bieren und zu den international beliebtesten.
Obwohl bereits im 10. Jahrhundert Hopfen von Böhmen nach Bayern und über die Elbe in die Hansestädte Deutschlands geliefert wurde, begann das tschechische Bier seinen internationalen Siegeszug erst im 19. Jahrhundert. Mit dem Ziel, ein untergäriges, modernes Bier von hoher Qualität zu brauen, wurde der Bayer Josef Groll 1842 zum Baumeister der Stadt Plzeň (Pilsen) berufen. Kurz darauf war das goldgelbe, hopfige Pilsner Urquell geboren. Das nach der Stadt benannte Bier wurde schnell zum Exportschlager. Bis heute ist Bier nach Pilsener Art eines der meistverkauften und beliebtesten Biere weltweit.
Und wo könnte man diesen hopfigen Durstlöscher besser zelebrieren als beim jährlich stattfindenden Pilsner Fest? Jedes Jahr im Oktober veranstaltet die Pilsner Urquell Brauerei ein Festival in Pilsen mit Konzerten, Bierverkostungen und Unterhaltungsprogramm. Misch dich unters Volk mit einem frisch gezapften Pils in der Hand, lerne das Böttcherhandwerk und tanze zu den besten Bands Tschechiens. Lass dich auf einer Tour durch die berühmte Brauerei in die Welt der Braukunst und des Zapfens entführen, erkunde die 9 Kilometer langen, historischen Lagerkeller mitsamt der riesigen Eichenfässern oder probiere dich durch die leckeren, herben Biere.
Um eine gute Grundlage zu schaffen und in die erweiterte Bierkultur des Landes einzutauchen, kehre in eine der traditionellen Bierstuben ein. In den urig eingerichteten Gewölben oder mit Holz verkleideten Salons gibt es nicht nur sehr günstiges Gezapftes (ca. 1,20 Euro für ein Bier), sondern auch herzhaftes böhmisches Essen. Wie wäre es mit Schweinebraten mit Sauerkraut und Semmelknödel im Mansfelda oder mit einer Bier-Gulaschsuppe im Na Parkánu, beide im Zentrum von Pilsen? Such dir einen Platz am Tresen und du wirst dich schnell mit den Einheimischen anfreunden. Na zdraví!
Belgisches Bier
Mit mehr als 1000 verschiedenen Biersorten gehören die Belgischen Biere zu den vielfältigsten der Welt. 2016 ernannte die UNESCO das Belgische Bier sogar als einziges zum immateriellen Unesco-Kulturerbe.
Neben untergärigen Bieren wie Pilsner oder obergärigen Bieren wie dem Amber oder IPA, ist Belgien vor allem für seine spontangärenden Biere bekannt – wie das charakterstarke Lambic. Beim Bierbrauen wird auf den aktiven Zusatz von Hefe verzichtet. Vielmehr wird der Sud mit der Bierwürze für einige Stunden offen stehen gelassen, um Hefen aus der Luft einzufangen. Anschließend wird es in Eichen- oder Kastanienfässer gelagert, bis die Spontangärung vollzogen ist – das kann schon mal Monate bis Jahre dauern. Lambic gilt als eines der ältesten Biere der Welt.
Geuze ist eine weitere belgische Bierspezialität, die aus dem Verschnitt von ein- bis dreijährigen Lambics entsteht. Im Gegensatz zum Lambic wird Geuze für eine zweite Gärung in Flaschen mit Korken abgefüllt, die ähnlich wie Champagner für etwa zwei Jahre gelagert werden.
Diese und noch viele weitere Belgische Biere, zum Beispiel mit zugesetztem Koriander oder Fruchtkonzentrat, kannst du in den Bier-Cafés in Belgien probieren. Für jedes Bier gibt es das perfekt abgestimmte Glas, das das Aroma voll zur Geltung bringt. Die große Auswahl (viele Cafés führen um die 50 Biere) kann ein wenig überfordernd sein, doch das geschulte Personal hilft dir dabei. Je nach Vorliebe, bestelltem Gericht oder Stimmung (ja, du liest richtig) wird dir das passende Bier empfohlen – wie du es aus anderen Ländern mit Wein kennst.
Dank der Nähe zur Heimat der Lambics im Sennetal ist die Vielfalt in und um Brüssel herum am größten. Unser Favorit in der belgischen Hauptstadt ist das Délirium Café, das seit 2004 den Rekord für die meisten angebotenen Biere hält. In der urigen Kneipe finden selbst Diejenigen das perfekte Bier, die eigentlich gar keines mögen. Die reiche Sammlung an Souvenirs, Tabletts und Werbetafeln rund ums Bier macht deinen Besuch zu einem holistischen Erlebnis. Proost und Santé!
Irisches Bier
Irland blickt auf eine lange Tradition des Bierbrauens zurück, die zwar zeitlich nicht mit der des Whiskeys mithalten kann, geschmacklich aber alle Male. Denkt man an irisches Bier, hat man sofort ein dunkles, opakes Bier mit einer samtig-cremigen Schaumkrone, serviert im klassischen Pint, vor Augen. Das obergärige Stout (eigentlich Stout Porter) beglückt seine Fans vor allem durch die fein-bitteren Röstmalz-Aromen.
1759 startete das wohl bekannteste Irish Dry Stout seinen weltweiten Siegeszug in heute knapp 120 Länder: Das Guinness. Arthur Guinness, Gründer der Marke, pachtete die Brauerei am St. James’s Gate – für 9.000 Jahre. Obwohl sich Guinness anfangs weigerte, Werbung zu machen, wuchs die Beliebtheit des Bieres rasant und 1886 war die Brauerei die größte der Welt.
Der einzigartige Geschmack des Guinness entsteht durch gemälzte Gerste und geröstete ungemälzte Gerste sowie einer Mischung aus frisch gebrautem und gealtertem Bier. Die typische Schaumkrone wird beim Ausschank durch die Anreicherung mit Stickstoff und Kohlendioxid kreiert.
Die St. James’s Gate Brauerei zählt bis heute zu den beliebtesten Attraktionen Dublins. In einer interaktiven Ausstellung auf sieben Stockwerken, die ein gläsernes Atrium in Form eines Pints umgeben, erfährst du alles über die Geschichte und den Brauprozess des Guinness. Doch das heimliche Highlight ist der 360 Grad Blick über die irische Hauptstadt aus dem obersten Stockwerk.
Guinness ist in der irischen Kultur omnipräsent. Das irische Bier dient als Zutat für zahlreiche Gerichte, der Hefeextrakt als Bestandteil verschiedener Barbecue-Saucen sowie von Marmite, die Marke als Dekoration in Pubs und nicht zuletzt begründete Guinness auch das Guinness-Buch der Rekorde. Die seit 1955 jährlich erscheinende Sammlung menschlicher Höchstleistungen und natürlicher Phänomene sollte ursprünglich dazu beitragen, entflammende Streits in Pubs beizulegen.
Das Herz der Bierkultur Irlands sind die lebendigen Pubs (eigentlich Public House), die von vielen Iren als zweites Wohnzimmer betrachtet werden. Live Bands, die Irish Folk spielen, gehören genauso zum Pub wie die urig gemütliche Einrichtung mit dunklem Holz. In entspannter Atmosphäre wird geredet, gelacht, getanzt (manchmal auch auf den Tischen) und lauthals gesungen. Man geht als Fremde hinein und kommt als Freunde wieder heraus. Sláinte!
Craftbier weltweit
Craftbiere sind der neue Stern am Bierhimmel. Die Biere werden handwerklich, also nicht großindustriell, hergestellt. Der Kreativität sind dabei keine Grenzen gesetzt. Die kleinen Brauereien greifen auf alte, fast vergessene Rezepte zurück oder probieren sich an neuen, unkonventionellen Varianten – sehr zur Freude der Bierliebhaber.
Als 1978 in den USA das Heimbrauverbot fiel, gab das den Anstoß zu der heute so populären Bewegung. Man wollte hochwertige Alternativen zu den als wässrig und geschmacklos empfundenen Bieren auf dem amerikanischen Markt nach der Prohibition schaffen. Bereits 2015 gabe es mehr als 4000 Brewpubs, Mikrobrauereien und Regional Craft Breweries in den USA, die auf europäische Brautraditionen setzten. Schon bald schwappte der Trend nach Europa über und so gibt es mittlerweile Craft Beer Festivals, auf Craft Beer spezialisierte Läden und internationale Wettbewerbe.
Das Zoiglhaus in Portland, Oregon, bringt deutsche Brauereikunst in die Vereinigten Staaten. Von handwerklich gebrautem norddeutsch-herben Pilsner über das bayerische Hefeweizen über das hoch prämierte Kölsch bis zum dunklen tschechischen Lager bleiben keine Wünsche offen. Zur Stärkung werden klassisch deutsche Gerichte serviert. Die gelungene Mischung aus cleaner Moderne, klassischer Biergartengarnitur und Oktoberfestzelt sorgt für das passende Ambiente zum Wohlfühlen.
Das Straßenbräu im hippen Friedrichshain in der deutschen Hauptstadt Berlin startete mit einem kleinen Lokal und sehr viel Charme. Seit 2015 werden hier wöchentlich wechselnde Craftbiere angeboten, die bis vor kurzem noch vor Ort gebraut wurden. So konnte es schon Mal passieren, dass man auf einem Fass blumig-würzigen Pale Ale oder zwischen dem fruchtigen “Beerengarten” und der Brauanlage saß. Die Kombination aus Persönlichkeit und hübsch-unperfekt gepaart mit köstlichen Bieren und viel Fachwissen lockt die Gäste in Scharen an.
Die Jopen Brouwerij im niederländischen Haarlem ist darauf spezialisiert, regionale Rezepte wiederzubeleben. Die Initialzündung dazu war der Fund zweier Originalrezepte für Haarlemer Biere im Stadtarchiv, eines davon von 1407. Die darauf basierenden Biere gewannen bereits 2008 zwei Silbermedaillen beim World Beer Championship. Das Bier kannst du in einem außergewöhnlichen Setting, der Jopenkerk, zwischen funkelnden Kupferkesseln und strahlenden Buntglasfenstern probieren. 2010 zog die Brauerei in die alte Kirche, die heute neben der Brauerei auch ein Café und Restaurant beheimatet. Cheers!